
Gut, das wird jetzt etwas ausführlich…
Wir erleben derzeit nicht nur den Catwalk der potenziellen CDU-Vorsitzenden, sondern auch und vor allem eine sich immer unkoordinierter um sich selbst drehende Sozialdemokratie. Diese will auf Teufel komm raus das Hartz-IV-Stigma abschütteln. Dabei erzählt sie so vielversprechende Dinge wie, dass man Hartz IV hinter sich lassen müsse. Betonung dürfte hier auf „hinter SICH“ liegen, denn die Lage der LeistungsbezieherInnen scheint deutlich weniger im Fokus der Debatte zu liegen als das Loswerden des Hartzfurunkels an der eigenen Haut. Auch kommt eigentlich gar nichts Inhaltliches, wie das neue Sozialsystem denn aussehen soll. Das wirkt umso fataler, als ja mindestens ein belastbarer Diskussionsbeitrag zum Umbau des sozialen Sicherungssystems mit dem Grünenvorschlag vorliegt. Dieser zielt sehr verkürzt gesagt darauf ab, dass man Hilfebedürftigkeit zwar der Höhe nach weiter nachweisen müsste, sich aber nicht mehr für die Gründe der Hilfebedürftigkeit zu rechtfertigen hätte, also nicht mehr bestraft würde, wenn man die vorgesehenen verstärkten Unterstützungsleistungen aus welchem Grund auch immer nicht annähme. Der grüne Vorschlag setzt hier auf Freiwilligkeit und Angebot statt auf Zwang und Bestrafung. Auch soll das Existenzminimum höher angesetzt und mehr Schonvermögen unschädlich sein. Wie gesagt, auch das ein Vorschlag aus der ungefährlichen Opposition heraus, aber etwas, woran man sich abarbeiten kann, was also einer breiten Diskussion als Beitrag angeboten wird.
Die SPD bleibt hingegen sehr vage, spricht von jetzt bemerkten Fehleffekten des selbst erfundenen Systems, als ob die Gängelungen der Jobcenter bisher ein gut gehütetes Geheimnis gewesen wären. Sie sinniert mit dem Schwung eines „Debattencamps“ davon, dass Kinder schon mal gleich gar separat abgesichert sein müssten, ohne auch nur anzudeuten, wie das dann aussehen soll. Fallen Kinder dann aus den Bedarfsgemeinschaften und werden ohne Elterneinkommen und Vermögen als hilfebedürftig anerkannt? Bekommt dann auch ein Kind von Friedrich Merz eine Grundsicherung, weil die Blackrockmillionen von Papa dem Kind nicht zur Last gelegt werden dürfen? Oder gibt es separate Kinderabsicherung dann doch nur, wenn die ganze Familie arm ist? Und was wäre daran noch separat? Eine Art sozialdemokratisches Kibbuzwesen, bei dem die Kinder dann aber wirklich sehr separat abgesichert wären, dürfte nicht gemeint sein.
Ein „Ethos der Arbeit“ wird beschworen, der offenbar einen Wert an sich darstellt im sozialdemokratischen Kosmos. Frau Nahles ist deshalb auch einerseits strikt gegen das Grünenmodell, weil es „das Nichtstun belohnt“, womit sie sich recht ungeschminkt auf die Seite derer stellt, die Hartz-IV-BezieherInnen prinzipiell als selbstverschuldete Steuerschmarotzer betrachten. Dass sie umgekehrt und teilweise im gleichen Interview diese Sichtweise scharf angreift, macht es nicht besser, nur unbegreiflicher. Besonders die Kakophonie aus den verschiedenen Lagern der Partei, die Sanktionen mal ganz, mal teilweise und mal eigentlich gar nicht abschaffen zu wollen, lässt nicht wirklich darauf hoffen, dass hier eine lösungsorientierte Diskussion läuft.
Am Ende werden wir, um die SPD ein bisschen zu verstehen, wieder mal schauen müssen, was sie denn konkret anstellt, solange sie noch in Regierungsämtern sitzt. Und da ist der letzte Wurf das Teilhabechancengesetz. Woran man im Detail dann eher die Reformpartei erkennen kann, die nicht alles umwirft, sondern an den berühmten Stellschrauben dreht, was aber das System nicht ins Wanken bringt. Legen wir also los und schauen uns erstmal an, was sich genau in diesem Bereich ändern wird (ab 2019).
Zwei Stellschrauben
Es geht in der Sache um eine Neuregelung bei der Übernahme von Lohnkosten. Konkret wird der § 16 e neu gefasst, der bisher unter der Überschrift „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ stand (FAV). Neue Überschrift wird „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ sein.
Dazu kommt der neue § 16 i (Teilhabe am Arbeitsmarkt). In diesem werden für Menschen, die schon sehr lange Alg II beziehen und dabei keiner längeren Beschäftigung nachgegangen sind, längere und höher geförderte Anstellungsverhältnisse ermöglicht.
Ich werde die Einzelheiten beider Instrumente im Folgenden aufzeigen. Beide beschreiben aber in der Sache Förderungen für ArbeitgeberInnen. Wer also einen Arbeitsvertrag im Rahmen einer hiermit gefördeten Stelle antritt, ist selbst formal gar nicht und faktisch nur mittelbar „EmpfängerIn“. Insbesondere in Fällen, in denen das neue Einkommen dazu führt, dass die Hilfebedürftigkeit entfällt, wird es interessant sein, welches Rechtsverhältnis dann noch zum Jobcenter besteht.
§ 16 e (neu) – Eingliederung von Langzeitarbeitslosen
Die bisherige Förderung von Arbeitsverhältnissen war nur möglich, wenn „mindestens zwei Vermittlungshemmnisse“ festgestellt wurden. Dieser bisher manchmal hindernde oder zumindest zeitraubende Feststellungsprozess entfällt, da die bloße zeitliche Dauer der bisherigen Arbeitslosigkeit als ausreichender Förderungs- (besser: Zuweisungs-) Grund ausreicht.
Wichtig ist die Voraussetzung von Arbeitslosigkeit im Sinne des SGB III für mindestens zwei Jahre. Bislang reichte das Vorliegen von „Langzeitarbeitslosigkeit“, was definitorisch schon nach einem Jahr zu haben ist.
Der neue Arbeitsvertrag muss über mindestens zwei Jahre laufen, der Job darf nicht nur geringfügig sein (Gehalt über 450 € monatlich), im ersten Jahr bekommt die ArbeitgeberIn 75 %, im zweiten 50 % des Arbeitsentgelts, wobei zwar Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, aber keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Im Anschluss also kein Alg I-Anspruch. In der alten Fassung des § 16 e betrug die Förderhöhe „bis zu 75 %“ und wurde je nach Ausmaß der individuellen Vermittlungshemmnisse im Einzelermessen festgelegt. Konnte also im zweiten Jahr mehr oder auch im ersten und zweiten weniger sein, auf jeden Fall hat man mit der neuen Fassung mehr Planungssicherheit. Und die Frage, ob eine ArbeitnehmerIn in Frage kommt, ist objektiver und nachvollziehbarer zu entscheiden. Das ist eine Verbesserung auch bei möglichen Rechtsstreitigkeiten.
Insgesamt hebt der ganze Tonfall des Paragrafen nicht mehr so wie vormals darauf ab, dass hier leistungsgeminderte Menschen in passende Arbeitsverhältnisse gebracht werden. Vielmehr ist neutral jeder Arbeitsbereich möglich, eine Obergrenze beim Gehalt ist auch nicht erkennbar, wenn ein zuständiger Tarifvertrag das hergibt. Übertarifliche Bezahlung wird allerdings nicht gefördert. Auch wenn eine ArbeitgeberIn also eine sozialversicherungspflichtige FacharbeiterInnenstelle zu besetzen hat und sich für eine Person entscheidet, die zwei Jahre arbeitslos war, ist das ok und offenbar gewünscht. In der Begründung heißt es folgerichtig, die neuen Lohnkostenzuschüsse seien „nicht selektiv, da sie keine bestimmten Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen. Vielmehr [stehe] die Beantragung dieser Lohnkostenzuschüsse allen Arbeitgebern unabhängig von Art, Branche, Rechtsform und Region offen“.
In der bisherigen Fassung war es lediglich möglich, dass den ArbeitgeberInnen die Kosten einer „notwendigen sozialpädagogischen Betreuung“ erstattet wurden. Nun „soll“ es während der ganzen Förderzeit eine „erforderliche ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung“ geben. Diese wird dann entweder durch die Arbeitsagentur selbst oder durch von dieser beauftragte Dritte erbracht werden. Zu diesem Thema später noch etwas mehr…
Eine Nachbeschäftigungsfrist gibt es nicht. Wer als ArbeitgeberIn die geförderte MitarbeiterIn vor Ablauf der zwei Jahre ohne wichtigen Grund rauswirft, muss maximal die letzten sechs Monate Förderung (zur Hälfte) zurückzahlen.
Was die Formulierung in der Gesetzesbegründung heißen soll, dass der neue § 16 e ein „bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter und insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache“ ermögliche, ist mir nicht ganz klar. Man muss das aber wohl in engem Zusammenhang mit der direkt folgenden Bemerkung sehen, die so lautet: „Der neue § 16 e SGB II fügt sich in die bestehenden Sanktionsregelungen (§ 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ein.“ Eine zugewiesene Stelle nicht aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten zu verhindern, wird also sanktioniert nach den gängigen und unveränderten Absenkungssätzen.
§ 16 i – Teilhabe am Arbeitsmarkt
Diese Förderform ist neu und wird im 16erparagrafen hinten drangehängt. Es geht hier darum, dass ArbeitgeberInnen, die ein nicht geringfügiges Arbeitsverhältnis über bis zu fünf Jahre mit einer zuweisungsberechtigten Person begründen, fünf Jahre lang einen hohen Lohnkostenzuschuss bekommen können. Zuweisungsberechtigt sind dabei über 25 Jahre alte Personen, die in den letzten sieben Jahren mindestens 6 Jahre Alg II bezogen haben und dabei „nicht oder nur kurzzeitig angestellt oder selbstständig waren“. „Nicht“ ist dabei der einfachere Teil, was „nur kurzzeitig“ dann im Einzelfall bedeuten mag, wird in alter Jobcentermanier in einer Ermessensentscheidung individuell festgestellt. Abgehoben wird jedenfalls bei dieser Entscheidung nur auf die Dauer der Beschäftigung, nicht auf die Höhe des Gehalts. Im Zweifel dürfte also eher berücksichtigt werden, wer kurz gut verdient hat, eher nicht jemand, der über längere Zeit erbärmliches Einkommen erzielte.
Sonderregelungen gibt es bei den Voraussetzungen für Schwerbehinderte und Eltern, die mit minderjährigen Kindern zusammenleben. Diese brauchen abweichend von den sechs aus sieben Jahren nur die letzten fünf Jahre durchgehend LeistungsbezieherInnen zu sein. Die übrigen Voraussetzungen (maximal kurze Beschäftigung und über 25 Jahre alt) gelten auch für sie. Sehr aufschlussreich ist hierzu die Begründung für die Eltern. Denn diese sollen so besser ihrer Vorbildfunktion für die Kinder nachkommen sollen. Wenn auch die Eltern unter den Begünstigten erstmal fünf Jahre Alg II bekommen müssen, um zum Zug zu kommen, fragt man sich schon, wie die Koalition die elterliche Vorbildfunktion in den fünf Jahren des Leistungsbezugs beurteilt. Hier hätte man konsequenterweise entscheiden müssen, dass Eltern von minderjährigen Kindern immer zu den Begünstigten gehören oder anerkennen, dass auch Eltern, die Alg II beziehen, gute Vorbilder für ihre Kinder sein können. So bleibt es recht schräg.
Wenn man zugewiesen wurde, beträgt die Förderhöhe für die ArbeitgeberIn in den ersten beiden Jahren 100 % des Gehalts, im dritten 90 %, im vierten 80 %, im fünften dann 70 %. Wer also über die vollen fünf Jahre geht, zahlt als Arbeitgeberin effektiv für diese fünf Jahre 60 % EINES Jahreseinkommens. Interessant hierbei ist aber auch, dass man den Arbeitsvertrag einmal stückeln darf. Es darf also eine Befristung geben, zum Beispiel nur auf zwei Jahre. Dann ist der Eigenanteil der ArbeitgeberIn null, was einer verlängerten Probezeit von zwei Jahren gleichkommt. Wer sich nicht sicher ist, ob er überhaupt einen Teil des Gehalts zahlen möchte, wird als ArbeitgeberIn wohl immer erstmal nur für zwei Jahre einen Vertrag abschließen und dann entscheiden, über welchen Teil der verbleibenden drei Jahre man die Arbeitskraft behält.
Für „angemessene erforderliche“ Weiterbildungen oder auch Praktika in anderen Betrieben muss das Gehalt zwar weitergezahlt werden, aber die ArbeitgeberIn kann während der gesamten Förderdauer insgesamt 3000 € Kosten hierfür geltend machen. Das Problem der Klärung, was hier angemessen und erforderlich ist, ist ein im Rechtsrahmen des Arbeitslosengelds II bekanntes Phänomen.
Wie beim § 16 e gibt es keinerlei Einschränkungen über Art und Branche oder Region, die Höhe des Gehalts ist entweder Mindestlohn oder bei vorliegen eines Tarifvertrags Tariflohn. Vorgesehen ist die jährliche Stellungnahme der Örtlichen Beiräte der Jobcenter, die evaluieren sollen, ob es durch das Teilhabechancengesetz zu „Wettbewerbsverzerrungen sowie Verdrängungseffekten“ kommt. Das dürfte eine der Entscheidungsgrundlagen für eine eventuelle Dauerlösung im Bereich dieser Teilhabeförderung sein, denn das Gesetz hat ein Verfallsdatum. Es gilt ab Januar 2019 und die letzte Förderung darf Silvester 2024 bewilligt werden.
Die „erforderliche ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung“ soll auch bei Förderungen nach § 16 i dazu gehören. Hier müssen wir versuchen zu klären, was das denn ist. Weil es auch im Detail interessant ist, stelle ich hier die offizielle Begründung der GesetzgeberIn vor:
Die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung („Coaching“) ist erforderlich, um die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses zu erleichtern und dessen Fortbestand zu sichern (Stabilisierung). Eine fortdauernde intensive Betreuung durch das Jobcenter hat sich im Rahmen des ESF-Bundesprogramms zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit als zielführend erwiesen. Über den umfassenden Beratungsauftrag nach § 14 SGB II sowie die Fördermöglichkeiten des § 45 SGB III ist sichergestellt, dass das Jobcenter auch bereits vor Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses eine beschäftigungsstabilisierende Betreuung erbringen kann. Durch Absatz 4 wird geregelt, dass eine solche Leistung auch während der Ausübung eines geförderten Arbeitsverhältnisses erfolgen kann und erfolgen soll. Ziel der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung ist es, das Leistungsvermögen der nunmehr beschäftigten Person zu steigern, das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren und damit eine dauerhafte Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen. Die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung soll in der Regel im Rahmen von einzelfallbezogenen Kontaktgesprächen, nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber gegebenenfalls auch während der betrieblichen Arbeitszeit in den Räumlichkeiten des Betriebes oder am Arbeitsplatz stattfinden. Bestandteil der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung sollen auch die betrieblichen und sozialen Anforderungen, die der Arbeitgeber an sein Personal stellt, sein. Aufgrund der besonderen Bedeutung einer Unterstützung der oder des Langzeitarbeitslosen gerade zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses stellt Absatz 4 Satz 2 klar, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung in angemessenem Umfang für eine regelmäßige ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freizustellen hat. Inhalte des Coachings können insbesondere sein:
Beratung der Bedarfsgemeinschaft,
Entwicklung und Förderung von Schlüsselkompetenzen für den beruflichen Alltag, zum Beispiel im Bereich der Selbstorganisation und Problemlösung in der Arbeitswelt,
Aufbau von Tagesstrukturen über einen längeren Zeitraum,
Hilfen bei Behördengängen/Antragstellungen,
Hilfe bei der Inanspruchnahme kommunaler Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II,
Unterstützung von Bedarfsgemeinschaften mit Kindern bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII),
Alltagshilfen (zum Beispiel Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Umgang mit Geld, Einkauf, Erscheinungsbild),
Soziale Aktivierung, Vermittlung des betrieblichen Umfelds und der Anforderungen im Arbeitsalltag (pünktlicher Arbeitsbeginn, Erwartungen des Arbeitgebers und ähnliches),
Verhaltenstraining, zum Beispiel Umgang mit dem Arbeitgeber/den Kollegen am Arbeitsplatz,
Krisenintervention, Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz,
Übergangsmanagement zum Ende der Nachbeschäftigung beziehungsweise zum Ende des geförderten Beschäftigungsverhältnisses. Bedarfsorientiert gefördert werden können darüber hinaus:
Persönliche Kompetenzen (zum Beispiel Motivation, Leistungsfähigkeit, aber auch Selbstbild, Selbsteinschätzung, Selbstsicherheit, Selbständigkeit, Offenheit, Wertehaltung, Empathie),
Soziale Kompetenzen (zum Beispiel Kommunikation, Kooperation/Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit),
Methodische Kompetenzen (zum Beispiel Problemlösung, Arbeitsorganisation, Lernfähigkeit, Einordnung und Bewertung von Wissen),
Interkulturelle Kompetenzen (zum Beispiel Verständnis und Toleranz für sowie im Umgang mit anderen Kulturen, Traditionen und Religionen). Die Jobcenter haben in der Ermessensausübung Spielräume, um die bedarfsgerechte Förderleistung im Einzelfall festzulegen. Die Intensität des Coachings soll an die individuellen Bedarfe und die im Förderverlauf zunehmende Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses angepasst werden. Das Gesetz regelt keine bestimmte formale Qualifikation für Personen, die die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung durchführen. Die Erfahrungen aus dem ESF-Bundesprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit zeigen, dass die Betreuungspersonen über einen Fachhochschul- oder Bachelorabschluss oder einen anderen mindestens dem Niveau 6 des deutschen Qualifikationsrahmens zugeordneten formalen Abschluss verfügen und mindestens zwei Jahre beruflich tätig gewesen sein sollten. Vorteilhaft sind einschlägige berufliche Erfahrungen in der Arbeit mit arbeitslosen Menschen. Entscheidend ist die Eignungsbeurteilung des Jobcenters aufgrund der vorliegenden beruflichen Erfahrungen der Betreuungsperson.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache
Dieses Coaching ist formal also zunächst mal ein Angebot, es kann erfolgen und es soll erfolgen. Dass es erfolgen muss, ist nicht zu erkennen. Sollte sich eine geförderte ArbeitgeberIn oder eine zugewiesene ArbeitnehmerIn gegen das Coaching entscheiden, wäre die Frage interessant, was dann rechtlich passiert. Das ist auch und besonders unter dem Blickwinkel zu beachten, dass die Förderungen nach § 16 i sich ebenfalls „in seiner Ausgestaltung als Maßnahme in die bestehenden Sanktionsregelungen“ einfügt.
Da Sanktionen im SGB II immer zu Absenkungen im Leistungsanspruch führen, sind die ArbeitgeberInnen raus aus der Bestrafungsnummer. Bei den zugewiesenen ArbeitnehmerInnen muss man erstmal unterscheiden zwischen denen, die in dem geförderten Job so viel verdienen, dass sie gar kein Alg II mehr brauchen und denen, die weiter aufstocken müssen.
Die Nicht-LeistungsbezieherInnen können nicht sanktioniert werden, weil man nicht absenken kann, was man gar nicht bekommt. Wenn man aber genau hinliest, dann ist dieser Arbeitsplatz kein normaler Arbeitsplatz, sondern eben eine „Maßnahme“. Und hier wird es dann bunt. Man kann aus dieser Maßnahme „abberufen“ werden, wenn man „Mitwirkungspflichen nicht erfüllt“ oder die Teilnahme am „ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Coaching verweigert“. Plumps. Das „Kann“ und „Soll“ wird hier also zum „Muss“, und zwar mit weitreichenden Folgen. Werde ich abberufen, bekomme ich eh kein Alg I, denn Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden nicht gezahlt während meiner Arbeit. Ich lande also sofort im Alg II, in dem meine Leistungen dann natürlich auch gleich abgesenkt werden können. Darüber hinaus hat das Jobcenter die Möglichkeit des „Kostenersatzes“ nach § 34 SGB II im Köcher. Das heißt volkstümlich nichts anderes als „Selber schuld, Geld zurück“. Denn wer seine Hilfebedürftigkeit „herbeiführt“, von dem kann das Jobcenter die Leistungen der bis drei folgenden Jahre zurückführen.
Selbst wenn man die Abberufung elegant umschifft, indem man von den vorgesehenen und damit natürlich nicht sanktionierten Ausstiegsmöglichkeiten Gebrauch macht, muss das nicht folgenlos sein. Aussteigen kann eine ArbeitnehmerIn „ohne Einhaltung einer Frist, wenn sie eine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen kann oder an einer Maßnahme der Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung zum Erwerb eines Berufsabschlusses teilnehmen kann“. Das klingt sehr liberal, weil auf jede weitere Definition von „Arbeit“ verzichtet wird. Was aber passiert, wenn ich eine geförderte und nach Tarif bezahlte Vollzeitstelle aufgebe, weil ich eine Teilzeitstelle oder gar einen Minijob vorziehe? Die Kündigung der Vollzeitstelle selbst ist dann im Sinne des § 16 i schadlos und zugelassen. Aber die Ersatzansprüche nach § 34 schweben voraussichtlich sofort über dem Haupt der frisch Umorientierten. Denn der Wechsel von Tarifvollzeit auf ungefördert und prekär dürfte kaum als „wichtiger Grund“ für die Kündigung anerkannt werden. Würde mich jedenfalls wundern.
An dieser Stelle wird klar, dass von einem Systemwechsel oder einem Einstieg in einen solchen bei diesem Gesetz (noch) keine Rede sein kann. Die Chance, erstmalig zu sagen, dass ein Angebot an Langzeithilfebedürftige aus sich heraus so attraktiv ist, dass man niemanden dazu zwingen, sondern ein gutes Angebot machen will, das man nutzen kann oder auch nicht, wurde mal wieder verpasst. Erfahrungsgemäß wird sich eine Beschäftigungsindustrie bilden, die der Qualifizierungsmafia ähneln wird, die Hand in Hand mit den Jobcentern große Mengen an Steuergeldern auf die Konten von TrägerInnen umschichtet. Nicht dass ich eine schlimme Fantasie hätte, aber rein von der gesetzlichen Formulierung her könnte ich auch als Leiharbeitsfirma die Vollförderung nutzen. Denn ob ich die Brötchen verkaufe, die meine geförderte Arbeitskraft bäckt, oder gleich die Arbeitskraft selbst, scheint im Lichte der Teilhabechancen kein Unterschied zu sein. Nicht falsch verstehen, das Gesetz böte richtige Chancen, wenn die Wünsche und Vorstellungen der Alg II-EmpfängerInnen eine wichtige Rolle spielten. Aber die Ausgestaltung, die im Zweifel zu 100 Prozent auf der bisherigen Vorgehensweise des Erzwingens funktioniert, offenbart eine dunkle Seite, die man sich und den Betroffenen besser erspart hätte.